Definition
Das Fundament eines selbstbestimmten Lebens ist für mich:
Der Blick in den Spiegel und der Wechsel der Linse.
Der metaphorische Blick in den Spiegel für die Selbstbeobachtung. Die ehrliche Betrachtung des eigenen Lebens, der eigenen Stärken und Schwächen, der Siege und Verfehlungen, der Blockaden und der Lügen, die man sich immer wieder erzählt. Die Betrachtung urteilsfrei und wohlwollend, ehrlich und fair. Nicht verschleiernd und nicht ignorierend.
Der Wechsel der Linse als Metapher für die Komplexität der Welt und des Lebens, welcher sich nur aus verschiedenen Perspektiven angenähert werden kann. Wie die Linse einer Kamera, die je nach Situation und Bedingung gewechselt wird, um Bilder zu generieren, die sich in Schärfe, Distanz, sowie Ausschnitt unterscheiden. Sowohl erfolgreiche Fotografen als auch selbst bestimmende Menschen brauchen mehrere Linsen, um sich selbst möglichst wenige Einschränkungen aufzuerlegen. Und wie auch in der Fotografie, gibt es im Leben für die jeweilige Situation sowohl die geeignete als auch die ungeeignete Linse, die das Bild entweder gelingen oder scheitern lässt.
Bei allen beiden Aspekten muss jedoch auch demütig anerkannt werden, dass die Geschichte, die Kultur, der Gesellschaftscharakter und das Umfeld bei der Gestaltung des Lebens eine große Rolle spielen und so jeder Mensch unterschiedlichen Herausforderungen und Chancen gegenübersteht.
Sich dieser externen, unveränderlichen Faktoren bewusst werden, sie akzeptieren und sich auf jene Themen im eigenen Leben konzentrieren die verändert werden können, ist ein Grundpfeiler eines selbstbestimmten Lebens. Denn auch bei all der Tragik des Lebens, dem Unvermeidbaren und dem Unveränderlichem, ist ein Leben mit dem Glauben, etwas ändern zu können, und dem daraus auch gelebten Handeln, ein erstrebenswerteres Leben als ein Leben in Passivität, Frust und Verdrängung. Denn trotz aller externen Kräfte muss die Verantwortung angenommen werden, das eigene Leben formen zu können.
Spiegelvermeidung und genormte Linse
Wie sich früher mein Weltbild formte und ich ihm zufolge handelte, kann rückblickend nur schwer beurteilt werden. Das kumulierte Wissen der letzten Jahre macht es schwer, sich zurückzuversetzen in jene Zeiten als eben jenes Wissen fehlte. Meine damaligen Ansichten spiegelten wohl mehr oder weniger die deutsche Gesellschaftsmeinung wider. Sie entsprachen weitestgehend den Konsens, was man gefälligst zu glauben hatte. Diese Meinungen und Ansichten, verfestigt durch Popkultur und Umfeld, unterliefen jede persönliche Entscheidung. Ein Hinterfragen der Normen fand nur sporadisch und unbewandert statt. Ich glaubte mehr zu wissen als ich wirklich wusste und war damit einer Irrfahrt in existenzielle Sackgassen ausgeliefert – ohne es zu wissen.
Der vorherrschende Gesellschaftscharakter formte mich, bestimmte wahr und falsch und schnitt mich von normfremden Perspektiven ab. Die Neugier nach Verstehen und Wissen wurde abgetötet und das Hinnehmen einfacher Antworten als Gewohnheit angelegt. Das Programm lautete: Gefühle, Gedanken und Meinungen nicht zu hinterfragen, ihren Ursprung und ihre Auswirkungen nicht zu hinterfragen, sondern einfach zuzulassen, dass sie jeden Bereich des Lebens bestimmen, obgleich ihrer Konsequenzen. Die Isolation vom bewussten und informierten Leben war das Ziel jener externen Einflüsse.
Ein Nachdenken über das Denken oder die Entschleierung der Gefühle waren nicht Teil des Programms. Derlei Konzepte waren mir gänzlich unbekannt. So fühlte sich im Nachhinein vieles als Kampf zwischen Lust und Unlust, Können und Unvermögen und Glück und Pech an. Entscheidungen wurden aufgrund falscher Tatsachen getroffen und Wünsche aufgrund von Ängsten ignoriert. Ich schlitterte auf der Oberfläche des Lebens, geringfügig Kontrolle darüber, wohin es geht und wie es ausgeht.
Träume und Wünsche verwirklichte ich nur im Geiste, aber nie im ganzheitlichen Sinne, in der physischen Welt. Auch wenn wohl zugestimmt werden kann, dass Irrungen und Wirrungen in der Jugend teil des menschlichen Lebens sind, die mit Erfahrung und Zeit abgemildert werden, so lässt sich nicht leugnen, dass in der Jugend auch die Weichen für eine längere Irrfahrt gelegt werden können, die leider bei vielen ihr ganzes Leben lang dauern wird. So zeigte sich beim Übergang von Jugend in das junge Erwachsenenalter, dass dieses Chaos eine tiefsitzendes Muster ist und sich nicht einfach herauswächst. Auch bei anderen Menschen ließ sich jenes Chaos beobachten. Das gelebte Chaos bezeichnend für die fehlende Fähigkeit, eben jenes Chaos zu ordnen, zu regulieren und bisweilen sogar zu verhindern. Ich verstehe die Unordnung zwar durchaus als Teil des Lebens und der Welt, die angenommen werden muss, aber ich sehe sie auch in vielen Bereichen als wesentlich vermeidbarer als man glaubt.
Spiegelschock und Ablehnung anderer Linsen
Wie so oft im Leben werden wichtige Veränderungen in einem angestoßen durch die Begegnung mit inspirierenden, andersartigen Menschen, sei es im Geiste durch Kunstwerke oder physische Begegnungen. Jene Menschen, die einen in den Grundüberzeugungen erschüttern, die mit ihren Ideen und ihren Meinungen am Fundament der eigenen Weltanschauung rütteln und ihm Risse verpassen. Sie graben das Bedürfnis nach Veränderung aus und zeigen einem auch die Notwendigkeit, etwas ändern zu müssen, wenn man sein Leben selber gestalten will.
Nach solch einer Begegnung ist ein Zurück in alte Muster schwer möglich, sondern nur noch ein Vorwärts. Ein Vorwärts, das Mut und die Bereitschaft erfordert, sich mit sich selbst zu konfrontieren. Die Spannungen in sich auszuhalten, wenn das Alte gegen das Neue, das Starre gegen das Bewegliche kämpft. Viele weichen leider zurück von diesem Kampf, ertragen ihn nicht und wählen die Verdrängung und verschanzen sich in der alten Festung ihres Weltbildes, auch wenn diese nur noch eine Ruine ist. Nach eben solch Begegnungen kam dieser innere Kampf auch in mir auf, dem ich mich jedoch zunächst mutlos verweigerte. Ich floh vor ihm und verdrängte, dass er überhaupt existierte.
Bei mir war es der Medienkonsum, die Flucht in andere Welten, die mehr Sinn ergaben und mir Ordnung vorgaben. Die Beschallung mit knallenden Tönen und die Verblendung mit blitzenden Bildern, die von den eigenen, inneren Tönen und Bildern ablenkten. Nicht spüren wollen, dass man mit den eigenen Gedanken und Gefühlen überfordert ist, dass noch jeglicher Filter fehlt, der aussortiert, welche die eigenen Gedanken und welche fremde Gedanken sind. Vor allem fehlte die Fähigkeit zu entscheiden, welche Gedanken, egal welchen Ursprungs, man annimmt oder abweist. Ihre Schwere war für mich nicht zu stemmen. So wie ein Muskel, der nie trainiert wird, sich beim Heben von schweren Gewichten weigert, so verweigerte sich auch mein Geist den schweren Fragen der eigenen Existenz.
So blieb nur die Resignation, das Verweilen, ohne spüren zu müssen, dass man verweilt. Dass man nicht vorwärts geht, nicht wächst und ausharrt, obwohl man gehen will, ja sogar gehen müsste. Doch die Saat war gesät, und keimte langsam in mir. Doch es folgte keine Geschichte des sofortigen, blühenden Wachstums und des widerstandslosen Entfernens alter Wurzeln. So wie auch Unkraut, das jahrzehntelang wuchert, nicht mit dem Säen einer Blume vernichtet wird, so kann die alte Lebenswahrnehmung auch nur schwer verdrängt werden.
Denn das Leid im Bekannten ist immer noch erträglicher als die Freude im Unbekannten zu suchen.
Aus dieser vermeintlichen Sicherheit kann sich dann die Lebenslüge entwickeln, die Selbsttäuschung über das eigene Leben und die eigene Person, die aufrecht erhalten wird, um nicht in existenzielle Unsicherheit zu verfallen. Und Selbstlügen haben die bedauerliche Eigenschaft, dass, je länger man sie sich erzählt, sie eines Tages zur gefühlten Wahrheit werden. Eben jene Kräfte kämpften damals in mir: Die scheinbare Sicherheit gegen den Beginn einer wirklichen Sicherheit.
Spiegelakzeptanz und Linsentests
Ich kam an einen Punkt, wo das marode System meiner Denkmuster, Verhaltensweisen und Wahrnehmungen defekt wurde. Das planlose, ziellose Dahinleben konnte sich der immer stärker aufkommenden Intuition, dass etwas existenzielles schief lief, nicht mehr verwehren. Ich spürte, dass ich an meinem Leben vorbeiglitt und der innere Schrei nach rettenden Ankern wurde unüberhörbar. Meine Rettung war das Verlassen. Das Verlassen der alten Heimat, des alten Umfelds. Woher diese Kraft kam, ist mir bist heute unerklärlich, nur dass sie in mir aufbrach und mich jene Kette sprengen ließ, die mich ans alte Leben fesselte.
Ich gab mich der Philosophie hin, dass auf dem Wege der Sinn gefunden wird, nicht an der Kreuzung mit ewigem Grübeln.
Nie war ein Tag meines Lebens bedeutender als jener an dem ich mich entschied aus dem gewohnten Ort wegzugehen. Entscheidend war nicht wohin ich ging, sondern, dass eine Entscheidung getroffen werden musste.
Die Erfahrung eine Entscheidung für mich getroffen zu haben, weckte zaghaft das Vertrauen in mich. Es reichte bereits alte Muster abzulegen und mein Auftreten zu ändern. Es war, als wäre ein ängstlicher Anteil von mir zurück geblieben und ein neuer, stärkerer Anteil empor gekommen. Von da an änderte sich mein Leben in derlei Maße, dass alles hier aufzulisten den Rahmen sprengen würde. Kurz zusammengefasst: Mein Selbstbewusstsein stieg enorm.
War ich früher ein schüchterner, zu schnell und leise redender Junge, übernahm ich nun sogar Führungspostionen, bei denen ich vor hunderten Leuten sprechen musste. Ich begann Theater zu spielen, etwas, was ich schon immer tun wollte, mich aber nie getraut hatte. Ich begann mit dem Schreiben und publizierte Texte. Und auch die Liebe, die ein hohes Maß an Verletzlichkeit, Offenheit und Verständnis erfordert, wurde ein Teil meines Lebens. Das Wissen von Psychologie, Philosophie, Soziologie, Kunst und vielen weiteren geisteswissenschaftlichen Themen erfasste meine Leidenschaft. Dank dieses Wissens lernte ich mich, die Menschen und das Leben aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen und wichtige Fragen zu stellen.
Der Blick in den Spiegel, die Reflexion der eigenen Person wurde zum täglichen Ritual. Der Wechsel der Linse als wiederentdeckte Neugier aufs Leben, wurde ebenfalls eine tägliche Routine. Ich erkannte, dass die eigene Identität nichts Starres sein muss, mit dem man den Rest seines Lebens klar kommen muss. Auch muss man sie nicht erst finden, wie ein Schatz der verloren gegangen ist, zu dem man sowieso keine Karte hat und noch nicht einmal weiß wie er aussieht. Nein, die eigene Identität kann kreiert werden, durch einen selbst, ja, vielleicht in einem gewissen Rahmen den einem das Zeitalter, der Ort und die eigene Familie vorgibt, aber dieser Rahmen ist wesentlich größer als die meisten Menschen es leider jemals für möglich halten.
Ich machte mich daran mir eine Identität aufzubauen, die mir das – subjektiv – erfolgreichste und schönste Leben zu führen vermöge. Es wurde Zeit das eigene Leben auch als eigenes Leben zu begreifen, welches selbst gestaltet und bestimmt werden kann. „Ja“, zu sagen, wo jahrelang ein ängstliches „Nein“ die Antwort war. „Nein“ zu sagen, wo jahrelang ein angepasstes, erzwungenes „Ja“ kam. Je mehr ich dabei vorankam erwachte in mir auch das Bedürfnis, meine gesammelten Erkenntnisse weiterzugeben.
Spiegelputz und Linsenbereitstellung
Warum möchte ich überhaupt Texte veröffentlichen? Gibt es nicht schon genug Texte, die sich mit den Themen beschäftigen, die ich behandeln möchte? Es ist die eigene Erfahrung, dass mich das Wissen aus Philosophie, Psychologie, Kunst und vielen anderen Bereichen zu einem bewussteren und entscheidungsfähigen Leben geführt hat. Eine wundervolle Erfahrung, welche ich mit anderen teilen möchte. Es stimmt, dass es bereits viele Texte gibt, die jene Themen behandeln, die ich behandeln möchte. Doch wie sich auch für mich aus unzähligen Quellen aufgrund des Schreibstils oder der Wort- und Themenwahl herauskristallisierte, wen ich lese und wer mich inspiriert, so biete auch ich vielleicht für jemanden die beste Kombination aus Themenwahl, Stil und Verständlichkeit.
Als Schriftsteller muss man Mut haben und glauben, „Ich habe etwas zu sagen und es gibt Menschen, die es hören wollen, ja, vielleicht auch hören müssen“.
Doch warum helfen? Betrachtet man die Menschheit und ihre Geschichte, so finden sich viele Beispiele für Egoismus, Feindseligkeiten und Gräueltaten, doch es finden sich auch viele Beispiele für Toleranz, Verbundenheit und Mitgefühl. Beides Teile der menschlichen Natur, stets im Widerspruch zueinander und doch untrennbar verbunden. Ich will die mitfühlenden und positiven Teile in mir und anderen stärken, ohne jedoch den destruktiven Anteil im Menschen zu ignorieren.
Doch sollte man helfen? Die Frage, ob man jemandem helfen soll, sollte immer gestellt werden, wenn es einen reizt zu helfen. Meiner Meinung nach sollte bestmöglich geholfen werden, wenn in beiden Parteien das Bedürfnis, der Wunsch da ist. Helfen durch den Erkenntnisgewinn mithilfe des geschriebenen Wortes hat den Vorteil, dass die Personen selbst das Ausmaß und den Zeitpunkt der Hilfe aussuchen können.
Doch kann ich helfen? Das Können ist eben jenes, was mit dieser Seite herausgearbeitet werden soll. Wie kann die Selbst- und Fremdbeobachtung oder das Gelesene verallgemeinert werden? Wie kann das Überwinden von Lebensproblemen verschriftlicht und anderen mitgeteilt werden? Bin ich in der Lage, Ordnung in komplexe Fragen zu bringen? Eigenes und fremdes Wissen zu vereinen und verständlich mitzuteilen, damit andere daraus etwas Bedeutendes ziehen können?
Bin ich einer Selbstlüge auferlegen, die mich jahrelang glaube ließ, ich könne schreiben und müsse nur anfangen? Diese Frage will ich mit dieser Webseite beantworten.
Was kann ich geben? Ich biete einen Vergleich. Früher war ich ein eher oberflächlich Wissender. Obwohl ich schon als Jugendlicher viel grübelte und versuchte tiefgreifende Antworten zu finden, fehlte mir doch der Zugang zu Antworten.
War ich früher ein zurückhaltender Junge, der seine eigenen Gedanken und Ansichten meist verschwieg, bin ich zu einem Mann geworden, der nun Gedanken und Ideen öffentlich macht – vor zehn Jahren noch eine Unmöglichkeit. Ich kenne also das Gefühl, an eine sich selbst einschränkende Identität gebunden zu sein und diese nicht abgeben zu wollen, sogar glaubt, sie nicht ablegen zu können. Doch das Ablegen alter Denkmuster und Gewohnheiten ist kein Untergang, kein Auflösen der eigenen Existenz. Man erkennt, dass all seine Verhaltensweisen, Meinungen und Glaubenssätze nicht den Kern der eigenen Existenz ausmachen.
Die Identität ist entstanden durch Erziehung, Erlebnisse und vielen weiteren Wechselwirkungen mit dem Leben. Meist hatte man gar keine Entscheidungsgewalt darüber, welche Muster und wie sie in einem angelegt wurden, aber mit ihren Folgen leben muss man dann meist ein Leben lang. Diesen Abnabelungsprozess von alten Mustern durchlief ich und durchlaufe ich nach wie vor. Nicht immer angenehm und einfach, aber immer lohnend für das eigene Leben. Ich bin also noch weit davon entfernt, meinem Ideal eines selbstbewussten und achtsamen Lebens zu entsprechen, was ich jedoch als Stärke für diese Webseite sehe. Ich habe bereits einiges an Wissen angehäuft, aber vieles ist noch unsortiert, undefiniert und chaotisch, ich verstehe also sehr gut, über viele Themen noch unwissend oder sogar mit Vorurteilen belastet zu sein. Daher sehe ich mich eher als Begleiter, der ebenfalls noch die richtige Richtung sucht. Kein bereits Angekommener, unendlich weit Gereister, dem die Probleme und Herausforderungen am Beginn einer Reise bereits fremd sind.
Ein weiteres Angebot meinerseits ist die Multiperspektivität. Ich werde mich dem Leben aus verschiedenen Perspektiven annähern. Das Wissen aus Philosophie, Psychologie, Soziologie, Kunst, Neurologie, Linguistik und vielen weiteren Bereichen wird dabei helfen das Bild der Welt möglichst umfassend abzubilden.
Jedoch darf ich nicht vergessen, dass mir meine Erfahrungswelt einen Rahmen setzt. Meine ist die eines europäischen Mannes im Mittelstand, aufgewachsen in einem der wohlhabendsten Länder der Welt. Das ist meine Erfahrungswelt, die es nicht zu leugnen gilt. Auch wenn ich meiner Meinung nach bereits eine gute Fähigkeit zur Multiperspektivität habe, werde ich nur bedacht und informiert aus Perspektiven schreiben die mir völlig fremd sind.
Ich habe nie erfahren, wie es ist, in einem Ghetto aufzuwachsen, jeden Tag aufs Neue ums Überleben zu kämpfen, Gewalt als täglichen Begleiter zu haben und sich mit dem Wissen durch die Gassen zu bewegen, dass ein Überfall oder eine Vergewaltigung hinter jeder Ecke warten kann. Selbst die Lebenserfahrung einer Frau meines Alters und meines Kulturkreises unterscheidet sich stark von meiner. Das bedeutet, dass ich mich diesen Perspektiven demütig als Ahnungsloser oder bestenfalls wenig Wissender nähern muss. Ich muss mich wissend machen durch Bücher, Essays und Artikeln von Personen, die in jenen Lebenswelten leben, die ich zu verstehen versuche, damit ich befähigt über sie schreiben kann.
Sich in fremde Lebenswelten zu bewegen, wenn auch nur im Geiste, erweitert die eigene Lebenswelt in unermesslichem Maße.
Für manche wird mein Angebot zu wenig sein, für manche wird es bereits zu viel sein. Der Wunsch, bisweilen sogar Druck, es allen Recht zu machen, muss als Schriftsteller bereits früh abgelegt werden, damit eine Veröffentlichung von Texten überhaupt gewagt wird.
Und nun putze ich den Spiegel, lege die Linsen bereit und schreibe was ich sehe.